Beleidigung in emotionaler Ausnahmesituation kein Kündigungsgrund
Die grobe Beleidigung eines Vorgesetzten ist nicht als Grund für eine fristlose Kündigung sondern als augenblickliches Versagen zu werten, wenn der Chef dem Arbeitnehmer vorab in ungerechtfertigter Weise mit einer Kündigung gedroht hat.
Nach einem Arztbesuch kehrte ein angestellter Lagerist in seinen Betrieb zurück, suchte vergeblich den Marktleiter und legte ihm dann eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auf den Schreibtisch. Noch bevor er den Markt verlassen hatte ließ ihn der Marktleiter ausrufen. Von einem internen Telefon meldete sich der Angestellte bei seinem Vorgesetzten. Nach der Aussage des Angestellten drohte ihm der Vorgesetzte während dieses Telefonats indirekt mit der Kündigung. Als Reaktion brüllte er seinen Chef durch das Telefon mit den Worten an: "Wenn Sie schlechte Laune haben, dann wichsen Sie mich nicht von der Seite an." Das Telefonat wurde beendet und der Arbeitnehmer titulierte seinen Chef unmittelbar danach vor Kollegen als "Wichser". Hierfür erhielt er die fristlose Kündigung, welche vor Gericht jedoch keinen Bestand hatte.
Das Gericht wies darauf hin, dass der Angestellte seinem Chef ordnungsgemäß die Krankmeldung zukommen ließ. Die telefonische Androhung seiner Entlassung ist vor diesem Hintergrund nicht nachvollziehbar. Zwar stellt die Beleidigung eine schwere Störung des Arbeitsklimas dar, sie ist vor dem Hintergrund der vorausgegangenen Provokation aber als weniger gewichtig zu werten. Denn die Beleidigung ist aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhangs der Ereignisse als Ergebnis einer emotionalen Ausnahmesituation zu werten. Als Reaktion darauf wäre eine Abmahnung, nicht aber die Entlassung gerechtfertigt gewesen.
Anmerkung: Die Entscheidung hätte anders ausgehen können, wenn der Arbeitnehmer die Beleidigung zu einem späteren Zeitpunkt wiederholt hätte, in welchem die emotionale Anspannung bereits wieder abgeklungen war.
Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, Urteil LAG RP 2 Sa 232 11 vom 18.08.2011
Normen: § 626 BGB